Notizen aus der Wissenschaft:
Stichwort: LRS
LRS
30.05.2005 - Hirnforschung
Leseschwäche durch Informationsüberfluss?
Forscher: Bei Legasthenie fehlen Filter für Hintergrundreize
Lese-Rechtschreibschwächen gehen möglicherweise auf eine
viel grundlegendere Wahrnehmungsstörung zurück als bislang
angenommen: Legastheniker können Hintergrundreize nur schlecht
ausblenden und haben daher Schwierigkeiten, unwichtige von wichtigen
Informationen zu trennen, haben amerikanische Forscher entdeckt.
Das erschwert den Betroffenen nicht nur das Identifizieren einzelner
Buchstaben beim Lesen, sondern möglicherweise auch das Hören
einzelner Laute bei gesprochenen Wörtern. Beide Faktoren tragen
maßgeblich zum Lesen- und Schreibenlernen bei.
Bis heute ist noch nicht geklärt, was genau im Gehirn von
Legasthenikern die Probleme beim Lesen und Schreiben verursacht.
Sicher ist jedoch, dass Kinder mit Legasthenie so genannte Phoneme,
die Lauteinheiten eines Wortes, nicht richtig voneinander trennen
können. Daher haben sie Probleme zu lernen, wie geschriebene
Buchstaben ausgesprochen und wie umgekehrt Laute in geschriebene
Buchstaben übersetzt werden.
Wissenschaftler haben für diese Schwierigkeiten bislang eine
Störung in dem Teil des Sehsystems verantwortlich gemacht,
der für die Verarbeitung von Licht und Bewegung zuständig
ist. Die neuen Ergebnisse deuten jedoch auf ein allgemeineres Problem
bei der Wahrnehmung bei Legasthenikern hin: Die Forscher stellten
fest, dass Kinder mit Legasthenie zwar tatsächlich Probleme
beim Erkennen von Bewegungen haben – allerdings nur dann,
wenn sie zusätzlich zu dem Testbild noch andere, unwesentliche
Muster oder Objekte sehen.
Dieses "optische Hintergrundrauschen" wird normalerweise
beim Sehvorgang vom Gehirn herausgefiltert, schreiben die Forscher.
Passiert das nur teilweise, ist es für den Betroffenen sehr
viel schwieriger, wesentliche Informationen zu erkennen. Die Wissenschaftler
vermuten, dass nicht nur der Sehsinn von den fehlenden Filtern
betroffen ist, sondern auch das Gehör. Das würde erklären,
warum die meisten Legastheniker sowohl beim Übertragen von
Gehörtem in Geschriebenes als auch beim Erkennen geschriebener
Wörter Probleme haben. Die Forscher hoffen nun, mithilfe ihrer
Ergebnisse Kinder mit Legasthenie früher identifizieren und
ihnen dadurch besser helfen zu können.
Anne Sperling (Georgetown-Universität, Washington) et al.:
Nature Neuroscience, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/nn1474
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